Der Fluch der Reminder

Der Fluch der Reminder

Selbstbewusstsein ist ja bekanntlich eine Zier. Aber manche übertreiben es einfach. „Die besten Manager Deutschlands“, „die erfolgreichsten Macher“, „der Marktführer“. Solche Titel lese ich in letzter Zeit häufiger. Nicht nur in Werbeanzeigen, auf Buchdeckeln oder in Ankündigungen. Sondern auch in Pressemitteilungen. Dabei habe ich noch in meiner Ausbildung gelernt, PR ist nicht Werbung und dass jeder noch so schöne vollmundige Titel auch bitteschön einen Beleg benötigt. Na ja, das scheint Lichtjahre her. Marktführer worin genau und worin manifestiert sich der Titel? Die meisten Verfasser solcher Meldungen wissen es wohl selbst nicht. Klingt einfach gut. Obwohl sich so mancher selbst gewählte Titel bei näherem Hinsehen als Luftnummer entpuppt: Kennt die Branche den Marktführer nicht, ist er keiner oder zumindest einer in unbedeutenden Branchen.

Großartigkeit braucht keine großen Worte

Großartigkeit braucht keine großen Worte

Auch beliebt: Er oder sie „gehört zu den bekanntesten Managerinnen, Rednern oder Persönlichkeitstrainern Deutschlands“. Gerne im Zusammenhang mit Namen, die ich noch gehört habe und gleich wieder vergesse: Wenn die wirklich so bekannt wären, müsste man es wohl kaum betonen. So wie Angela Merkel den Zusatz „gehört zu den weltwichtigsten Politikerinnen“ nicht nötig hat. Das weiß man so, das braucht man nicht noch zu lesen.

Viel schlimmer ist aber, dass jeder dieser Wichtigtuer meint, ganz oben auf der Agenda der Redaktionskonferenz stehen zu müssen. Und es mit journalistischen Vorurteilen und Ignoranz erklärt, wenn dem nicht so ist. Dann schickt man in der Not schon mal eine Erinnerungsmail, neudeutsch Reminder heraus. Ohne große Erklärung oder Anrede, aber mit einem Ausrufezeichen versehen. Soll heißen: Wenn du mich jetzt da draußen nicht endlich wahrnimmst, machst du deinen Job schlecht. Auch wenn es letztlich eine Verzweiflungstat ist, die bei den Journalisten nur eines auslöst: Abtauchen, Ablage Papierkorb und Ignorieren. Denn antworten wäre tödlich. „Das ist für die Gegenseite nur das Signal in eine Argumentationskette einzusteigen, warum die Meldung denn doch zu den Top News gehört“, verrät mir die Chefredakteurin einer Frauenzeitschrift.

Lassen wir also die Redakteure da draußen ruhig ihren Job machen und lernen wir aus Nachrichten, die keine sind. Machen wir uns klar, wie eng die Luft da oben zur Topstory ist und dass ein Reminder von uns oft nicht allein kommt: Andere machen denselben Fehler und schon ist das Postfach des Redakteurs mit Ausrufezeichen voll. Lernen wir, dass auch Bescheidenheit eine Zier sein kann.

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